Bei seiner Geburt sind Thomas‘ Eltern nicht mehr die Allerjüngsten. Er wächst sozusagen mit der „alten Schule“ auf. So ist zum Beispiel die Düngung mit Mist für ihn völlig normal. Eine gute Voraussetzung, denn Thomas gehört zu den ersten Bio-Apfelbauern in Südtirol. Schon in den späten 1980er-Jahren, unternimmt er mit fünf Cousins erste Gehversuche mit biologischen Pflanzenschutzmaßnahmen.
1991 stellt Thomas den Hof schließlich komplett auf die biologische Landwirtschaft um und engagiert sich seit der Gründung beim Verband Bioland Südtirol. Zusammenhalten, über alles offen und weltoffen reden – und dann gemeinsam den Weg weitergehen: Das liegt ihm am Herzen. Auch deshalb ist er Genossenschaftler aus voller Überzeugung.
Die Hafner-Cousins helfen sich gegenseitig, in ihren Betrieben nutzen sie einige Maschinen gemeinsam. Eine große Erleichterung, denn die biologische Landwirtschaft ist mechanisierter als ihr Ruf. Bei Flurbegehungen und Lehrfahrten ins Ausland erkannten die Südtiroler Bio-Bauern, dass Bio-Betriebe häufig zweite Qualität und Verarbeitungsobst produzieren. Doch das war und ist nicht die Idee der Bio-Pioniere.
„Wir leben von der Landwirtschaft und führen vergleichsweise kleine Betriebe. Daher setzen wir mit unseren Tafeläpfeln auf Qualität statt Quantität.“
Wenn Thomas über den Erfahrungsaustausch unter Bio-Bauern plaudert, leuchten seine Augen. Die erste Generation – er nennt sie „Bioniere“ – legte den Fokus stark auf den Pflanzenschutz, die folgenden Umsteller brachten moderne Obstbaupraktiken wie den Zapfenschnitt der Apfelbäume ein. Später pflanzte man schorfresistente Sorten, die weniger Pflanzenschutzbehandlungen brauchen. In diesem Spannungsfeld aus Erfahrungen, Enttäuschungen und neuen Ideen entwickelt sich die biologische Landwirtschaft immer weiter.
Seine Wiesen hat Thomas auf zwei Flächen konzentriert, in zwei unterschiedlichen Klimazonen auf 200 und 450 Höhenmetern. Beim Reifezeitpunkt der Äpfel derselben Sorte ergibt sich dadurch ein erstaunlicher Unterschied von bis zu zehn Tagen. Er baut hauptsächlich Gala, Braeburn und Pinova sowie resistente Rebsorten, etwas Gemüse und – als Terlaner typisch – Spargel an.
Aber auch über die Vegetation in den Fahrgassen macht sich Thomas Gedanken. Auch aus ureigenem Interesse: Wenn das Rispengras blüht, bereitet ihm nämlich sein Heuschnupfen in der Wiese Probleme. Er leidet, kopft und tüftelt lange – dann hat er eine Idee. Er mulcht das Rispengras deutlich höher als üblich, aber häufiger. Immer wieder, bevor es blüht. So schlägt er drei Fliegen mit einer Klappe: Er besiegt den Heuschnupfen, schafft ein Rückzugsgebiet für Nützlinge und schützt den Boden der Fahrgasse.
Vor zwei Jahren wütete ein Sturm mit Windspitzen von über 80 km/h in seiner Bio-Apfelwiese. Umgerissene Bäume, erntereife Äpfel über den Boden verstreut. Ein Schock für die ganze Familie. Aber kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen: Wenig später entschließen sie sich, die Wiese neu anzulegen. Mit Einsaaten wie dem Winterroggen und der Wicke baut Thomas den Humus auf, dadurch verwurzeln die Bäume kräftiger im Boden. Vor die einzelnen Apfelbaumreihen pflanzt er Kopfbäume oder Sträucher. Querverankerungen dienen als Basis für das Hagelnetz und geben der Wiese eine höhere Stabilität. Und das Netz schützt auch vor zu starker Sonneneinstrahlung, der Schatten hält die Bäume bei Hitze frischer, und die Äpfel holen sich keinen Sonnenbrand.
In der Mitte der Wiese legt er einen Teich als Wasserquelle für die Nützlinge wie Bienen an, rundherum setzt er Hecken und Haselnussstauden. Für die Bioland Obstbaugruppe zeigt die Apfelwiese mustergültig, wie sich inmitten des intensiven Obstbaus Vielfalt kultivieren lässt. Auch die Pflanzenvielfalt in den Fahrgassen ist ausgezeichnet. Im wahrsten Sinn des Wortes: Das Forschungszentrum EURAC ehrte gemeinsam mit dem Versuchszentrum Laimburg, der Universität Innsbruck und der Landesabteilung Natur und Landschaften Thomas mit dem dritten Platz bei einem lokalen Wiesenwettbewerb. Dabei wurde die Artenvielfalt in intensiv bewirtschafteten Obstanlagen erhoben.
Über die Vielfalt und die Landwirtschaft unterhält sich Thomas am liebsten, Rück- und Ausblicke inklusive. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, wenn er über den Verein für Ökologie spricht. Das war in der Anfangszeit der Biobewegung: Konsumenten und Bauern diskutierten gemeinsam an einem Tisch über Landwirtschaft, Lebensmittel und Biotope. Für die Zukunft sieht er neben neuen Akteuren wie der Baumwanze – sie sticht die Äpfel an und führt zu Ernteausfällen – auch die Düngung als zentrale Herausforderung für die biologische Landwirtschaft. Bio-Dünger werden immer gefragter, doch ihre Verfügbarkeit ist begrenzt. Thomas hat bereits einen Ansatz: Er liefert Steinmehl zu einem Bio-Viehbauer, der es direkt im Laufstall ausbringt. So ist der Mist für seine Obstwiesen bereits vorbereitet.
Die Begeisterung von Thomas und seiner Frau Christine ist ansteckend. Besonders, wenn es um echte Lebensmittel geht. Man spürt ihre Leidenschaft in Gesprächen, schmeckt sie in Christines Apfelsuppe und erkennt sie in den beiden Töchtern wieder. Lena ist Gastgeberin der Genussmanufaktur Walcher. Diese stellt Balsamico-Essige, Dressings, Konfitüren und Delikatessen nach ursprünglichen Rezepturen her. Und wie könnte es anders sein: natürlich auch aus Bio-Äpfeln. Johanna besucht die Landwirtschaftliche Oberschule. Eines Tages tritt sie vielleicht in die Fußstapfen ihres Vaters und entwickelt die biologische Landwirtschaft weiter. Mit Optimismus, Kreativität und Weltoffenheit. Und mit einem Lächeln auf den Lippen.